BYOD, das meint das Mitbringen eines eigenen Gerätes wie Handy oder Tablet: Bring Your Own Device ist eigentlich so etwas wie eine Notlösung, wenn die technische Ausstattung deiner Schule hinterherhinkt, aber manchmal hilft es ja nichts: Du kannst ja nur mit dem arbeiten, was da ist!
Mit circa 250€ Kapitaleinsatz (evtl. mit Hilfe des Elternbeirats) ist es möglich, die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass die Smartphones oder Tablets der Schüler gewinnbringend für den Unterricht eingesetzt werden können.
Besonders interessant wird BYOD, wenn es bei dir an der Schule zum Beispiel einen “antiken” Computerraum gibt, gefüllt mit Geräten, die teils mehrere Minuten benötigen, bis man sie benutzen kann. Oder ein einzelnes Whiteboard ist die vielleicht einzige mediale Neuaustattung deiner Schule in den letzten zehn Jahren? Möglicherweise versuchst du auch einen medialen Unterricht, der von gespendeten Altgeräten lebt, die in Firmen ausrangiert worden sind.
Im Falle von BYOD hilft der Umstand, dass nahezu unabhängig von der Bildungs- und Einkommensschicht Privathaushalte über aktuelle und teils brandneue Smartphones und Tablets verfügen. Dadurch, dass diese durchschnittlich in einem Zweijahresrhythmus erneuert werden, wandern die „Altgeräte“ an die jüngeren Mitglieder der Familie weiter und werden von den Sieben- bis Elfjährigen laut der KIM-Studie vorrangig zum Kommunizieren oder Spielen benutzt. Warum nicht diese Geräte auch für den medialen Unterricht in der Schule nutzen? Medienpädagogik – die Medienerziehung, -bildung, -didaktik und -kompetenz umfasst – kann nur mit Medien geschehen. Aber sie könnte eigentlich kaum realitätsbezogener als mit den schülereigenen Geräten geschehen. Auf diese Weise erfahren die Heranwachsenden ganz konkret, welches Potential über das bisher Bekannte hinaus in ihren Smartphones oder Tablets steckt.
Beim BYOD gibt es gegenüber klassischen Lösungen wie Desktop-PC’s vor allem zwei wichtige Voraussetzungen zu beachten. Erstens benötigt das Klassenzimmer, in dem der Unterricht mit BYOD-Unterstützung geschehen soll, einen preisgünstigen WLAN-Hotspot, der circa 50 Geräte („Clients“) verwalten kann. Dieser wird an die meist im Klassenzimmer vorhandene Netzwerkdose angeschlossen, die die Verbindung zum Schul-Server herstellt. An diesem wiederum sollte bereits ein Internet-Filter installiert sein (der im Rahmen der vorherigen PC-Anschaffungen eingerichtet worden sein müsste), sodass alle Geräte, die sich in das WLAN einloggen, automatisch einen gesicherten und regulierten Zugriff auf das Netz haben.
Zweitens empfehle ich einen Elternabend zu dem Thema, der auf die Bedingungen, die Unterrichtsziele und die Bedenken der Eltern mit Pro und Contra eingeht. Neben aller Pädagogik ganz wichtig an dieser Stelle: Den Eltern muss klar sein, dass die Geräte in der Schule nicht versichert sind, falls ein Schaden entsteht. In manchen Fällen greift die private Haftpflicht, aber dafür gibt es keine Garantie. Daher sind klare Regeln für die Schüler unabdingbar. Auch die Beschränkung auf einen Tag BYOD pro Woche (z.B. „Tablet-Mittwoch“) und das absolut freiwillige Mitbringen hilft den Eltern, Vertrauen zu fassen.
Wenn es dann soweit ist, dass die Schüler eigene Smartphones oder Tablets mit in den Unterricht bringen (auch Laptops wären möglich), ist die Aufregung unter den Klassenkameraden erstmal groß: Wer hat welches Gerät dabei, wer keines und welche Apps sind darauf installiert? Das sind Themen, die die Kinder auch in ihrer Freizeit beschäftigen, aber in der Schule können sie im medienerzieherischen Sinne aufgegriffen werden. Hierfür bietet sich ein Stuhlkreis an, in dem jeder von seinem Gerät und seinen Lieblings-Apps erzählen darf. Dort sollte auch einfühlsam von der Lehrkraft darauf eingegangen werden, wer kein Gerät dabei haben darf oder kann, damit eine für alle akzeptable Situation geschaffen wird, in der in Zukunft gearbeitet werden kann.
Anschließend hinterfragen die Schüler die jeweils installierten Apps mediendidaktisch: Sind diese als Lernwerkzeuge geeignet und welche Ziele und Inhalte gibt es? Da nicht jedes Kind ein eigenes Gerät dabei haben wird, lassen sich hierfür Kleingruppen bilden und die Medien gemeinsam nutzen. Auch in Zukunft kann und braucht nicht jeder sein Gerät für BYOD dabei zu haben, für die meisten Vorhaben wären das sogar zu viele Geräte.
Das Ergebnis dieser Phase wird sein, dass sich für den Unterricht besonders Apps eignen, die ohnehin auf den meisten Geräten installiert sind:
ein Browser für das Internet
eine Textverarbeitung
ein Präsentationsprogramm
und die Foto-App.
Ein Umstand, welcher den Lehrern den Umgang mit diesem „Gerätezoo“ erleichtert, da diese Apps letztlich überall ähnlich funktionieren und allumfassend abdecken, was an medienpädagogischen Inhalten in der Grundschule behandelt werden soll.
Darüber hinaus werden sicherlich auch Lernprogramme zur Sprache kommen, weil sie von den Eltern auf den Geräten installiert worden ist. Der Nutzen für den Unterricht ist bisher jedoch eher eingeschränkt, sodass diese Apps mehr als Übungsprogramme für den Freizeitbereich gesehen werden können.
Da es in dieser Phase auch zu Diskussionen und größerer Lautstärke kommen wird, ist das für den Pädagogen ein guter Zeitpunkt Regeln einzuführen, die beim BYOD-Unterricht von den Schülern zu beachten sind. Wenn der Lehrer die ganze Aufmerksamkeit der Kinder haben möchte, weil er zwischendurch etwas besprechen möchte, dann muss dazu der Bildschirm des Gerätes aus sein – jeglicher Inhalt würde sonst ablenken. Ein kurzes Signal wie „Klick und Brezel“ kann das signalisieren („Klick“ für den Ausschalt-Knopf des Gerätes und „Brezel“ für die Arme des Kindes). Wenn man nach weiteren Regeln fragt, fallen den Schülern oft selbst Dinge ein wie „Keine Getränke, wenn die Geräte in der Nähe sind“ oder „besonders langsam laufen, wenn Geräte auf den Tischen liegen“. Das konsequente Einfordern dieser Regeln ist beim Umgang mit so kostspieligen Privatgeräten unabdingbar.
Als letztes Element an diesem ersten BYOD-Tag empfiehlt sich die Internetrecherche zu einem aktuell im Unterricht behandelten Thema wie zum Beispiel „Europa“ in HSU und einer Frage im Stile von „Wie heißen die fünf längsten Flüsse Europas?“. Dazu brauchen die Schüler ihren Browser, und spätestens wenn die Kinder diesen öffnen, werden sie merken, dass sie noch gar nicht mit dem Internet verbunden sind. Das nun folgende Einloggen aller Geräte in das WLAN wird zwar etwas Zeit in Anspruch nehmen. Aber es gibt Schüler, die bereits wissen, wie das funktioniert oder andere, denen die Lehrkraft schon geholfen hat, und daher anschließend ihr Wissen unter den Mitschülern multiplizieren können. Nötig ist dies nur bis zum nächsten Passwort-Wechsel für das WLAN (mindestens zu Beginn eines Schuljahres sollte dies geschehen), da sich die Geräte die Login-Daten merken.
Zusätzlich hat die Lehrkraft auf diese Weise nicht das Einloggen an sich zum Unterrichtsziel gemacht, sondern als Bestandteil des medienkompetenten Umgangs auf dem Weg zur Internetrecherche.
Bei der im vorangegangen Abschnitt aufgegriffenen Recherche-Frage wird der Lehrer sehr unterschiedliche Herangehensweisen an die Suchzeile beobachten können. Manche geben den gesamten Satz auf der Homepage von Google ein, andere nutzen die Zeile im Browser, die eigentlich für die Internet-Adresse gedacht ist, viele werden sich verschreiben oder an anderen Dingen scheitern, die ein vernünftiges Suchergebnis ermöglichen. Auch wird oftmals Google mit dem Internet gleichgesetzt und Antworten mit dem Satz eingeleitet: „Google sagt, dass…“
Anhand dieser Erfahrungen kann die Lehrkraft nach und nach medienpädagogisch wirken: Die Nutzung des Browsers wird kritisch begleitet, bewusst reflektiert, analysiert und von neuen Handlungswegen unterstützt. Eine korrekte Rechtschreibung bekommt auf einmal einen für die Grundschüler greifbaren Sinn, und nicht immer führt viel Text zu besseren Ergebnissen („Europa längste Flüsse“ bringt in der Regel mehr als die ganze vom Lehrer gestellte Frage).
Um einen medienkompetenten Umgang für die folgenden Unterrichtsstunden und das Freizeitverhalten der Kinder zu fördern, sollte die Lehrkraft zum Beispiel auf den Unterschied zwischen einer Adresszeile und einer Google-Suchzeile eingehen. Oder sie kann die Suchergebnisse thematisieren, da den Schülern oftmals nicht klar ist, dass die Treffer eine Suche auf anderen Seiten des Internets sind und dass darunter auch Werbung platziert sein könnte.
Eventuell kennen manche Kinder schon alternative Suchmaschinen, aber wenn die Schüler nach ein paar Wochen BYOD-Unterricht erfahrener im Umgang mit der Internetrecherche sind, sollte auch auf den Datenschutz eingegangen werden. Dabei handelt es sich zwar um einen komplexeren Themenbereich mit den Stichwörtern Tracking und Datenblase, der in Grundzügen dennoch den Grundschülern klar sein sollte – die Vorbereitung auf die Entwicklungen in der Zukunft können hier nicht frühzeitig genug getroffen werden.
Infolgedessen sollte die voreingestellte Suchmaschine auf den Geräten zu nutzerfreundlichen Suchmaschinen wie duckduckgo.com umgestellt werden, um der Schule eine Vorbildwirkung zukommen zu lassen. Die Treffer, die sich damit recherchieren lassen, sind mittlerweile auch für den Grundschulbereich sehr gut. Und zusätzlich wird das selektive Lesen auf Wikipedia-Einträgen trainiert, denn diese stehen immer wieder ganz oben bei den Suchergebnissen.
Alternativ lassen sich natürlich auch Kindersuchmaschinen wie blinde Kuh oder Frag Finn thematisieren, ich plädiere jedoch für die Nutzung einer Seite, die auch in Zukunft von den Heranwachsenden genutzt werden wird. Dies ist auch ein Thema für den Elternabend, da hier die Vor- und Nachteile von ungeschütztem und reguliertem Surfen gegenüberstehen. In der Schule werden die Ergebnisse dennoch gefiltert, zuhause sieht das möglicherweise anders aus.
Wenn die allgegenwärtigen Medien sinnvoll eingesetzt werden, erleichtern sie die Erreichung der Unterrichtsziele für die Lehrkräfte ungemein. Ein Problem im Zusammenhang mit BYOD allerdings bleibt: Zu hundert Prozent kann man sich nicht auf die schülereigenen Geräte verlassen, weil die Zahl der mitgebrachten Geräte von Woche zu Woche stark fluktuieren wird oder weil man als Schule auch den finanzschwachen Familien gleiche Chancen ermöglichen möchte.
Ein Grund-Pool an schuleigenen Geräten wäre ein großer Vorteil, da darauf immer zugegriffen werden kann. Denn in der Grundschule werden die grundlegenden Kompetenzen für alle Kinder geschaffen. BYOD ist auf jeden Fall nicht die Ideallösung und pädagogisch nicht die zu favorisierende Variante. Aber sie ist immer noch die bessere Alternative, anstatt auf Medienerziehung zu verzichten.
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