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BRAUCHEN WIR DAS FACH GLÜCK?

by nico

Achtsamkeit ist ein wertvolles Gut. Das muss ich dir wahrscheinlich nicht erzählen, sonst hättest du diesen Blog-Beitrag gar nicht erst geöffnet. Aber wenn man sich so auf anderen Achtsamkeits-Seiten in deren Foren umsieht, dann kann man in den Kommentaren der User ablesen, dass es nicht jedem leicht fällt, im Alltag, in Stresssituationen oder sogar in Entspannungsphasen so ohne Weiteres achtsam zu sein. Das immer wiederkehrende Bewusstmachen und Zulassen der eigenen Gefühle, das Umgehen mit Spannungen, das Erkennen-können und Erkennen-wollen, wenn es zum Beispiel im Bauch zwickt, aber der Grund dafür nicht im Körper, sondern im Geist liegt – das ist letztlich alles eine Art von Training. Und wie es “trainieren” so an sich hat: Die Ausdauer ist für den Erfolg sehr entscheidend.

 

Daher gibt es in meinem Umfeld immer mal wieder Stimmen und Meinungen, dass schon Kinder mit Achtsamkeit in Kontakt gebracht werden sollten. Und wenn es nicht von Seiten der Eltern gelingt, dann solle doch wenigstens die Schule Achtsamkeit in den Kindern anbahnen.

 

Jetzt ist ja nicht gerade so, dass wir in der Schule nicht schon genug Herausforderungen, Baustellen und Trainingsfelder hätten. Wir wollen und müssen unsere Kinder auf so vieles im Leben vorbereiten, weshalb nicht jeder Kollege aufjubelt, wenn er sich neben Rechtschreibung, Gedichten, Fermi-Aufgaben und entdeckendem naturwissenschaftlichen Unterricht auch noch mit der Medienpädagogik oder Achtsamkeit beschäftigen soll.

 

Aber ähnlich wie beim Unterricht mit Medien birgt die Achtsamkeit so viele Synergie-Effekte, dass eine zeitliche Investition natürlich lohnt – für den Heranwachsenden und für den Lehrer.

 

Die Durchführung von Lernentwicklungsgesprächen statt einem üblichen Zwischenzeugnis ist tatsächlich auch schon ein Schritt in diese Richtung. Und nachdem ich an Dutzenden von Schulen Fortbildner für dieses Thema bei dessen Roll-Out war, weiß ich, wie viele unterschiedliche Ansichten (nicht nur positive) es diesem Kontext unter meinen Kollegen gab.

 

In den letzten fünf Jahren hat sich aber nicht ohne Grund das freiwillige Durchführen der Lernentwicklungsgespräche durchgesetzt: Wenn ich heute mit Kollegen aus den Fortbildungen von damals ins Gespräch komme, dann wird rasch die weitere Entwicklung der Kinder das Thema. Und es wird sich ausgemalt, wie reflektierend die Kinder wohl wären, wenn sie das Lernentwicklungsgespräch in jeder Jahrgangsstufe bis zum Abschluss führen würden… Zurück zu den eindimensionalen Zeugnissen will da keiner mehr.

 

Letztlich sind die Lernentwicklungsgespräche aber nur ein kleiner Schritt zu mehr Achtsamkeitsförderung bei den Heranwachsenden: Brauchen wir also mehr Achtsamkeit in der Schule?

Dazu in diesem Beitrag zwei Beispiele: Das erste ist ein Experiment in meinem Unterricht und das zweite ein viel umfassender Beitrag zur Achtsamkeitsentwicklung von einer Kollegin.

 

In meinem Falle habe ich ein Ritual am Morgen und am Ende des Schultages installiert: Wir starten mit einer kurzen morgendlichen Herzatmung, circa 60 Sekunden, in denen mit der Hand auf dem Bauch meditativ “ins Herz” geatmet wird. Die Hand lässt die Atmung besser fühlbar werden und unterstützt die richtige Atmung auch in Stresssituationen. Die Gedanken konzentrieren sich aufs Atmen und ziehen die Luft gefühlt ins Herz hinein.

 

Manchmal begleite ich diese Phase mit einer kleinen Meditation. In diesem Zusammenhang empfehle ich dir ein kleine Büchlein, dass dir eine gute Einstiegshilfe sein kann.

 

Danach sagen sich die Kinder gegenseitig zwei oder drei schöne Dinge – zu sich selbst und zu anderen Mitschülern. Da kommen Sätze über Äußerlichkeiten, aber viel mehr Äußerungen zur Dankbarkeit und positiven Charakterzügen – alles ist eine Wahrnehmung und alles ist eine Wertschätzung. Wie schön ist es für einen Schüler, wenn er in den Tag startet, nachdem ihm ein anderes Kind gesagt hat: “Ich bin dir dankbar dafür, dass du mir gestern in Mathematik geholfen hast.”

 

Am Ende des Tages schließen wir mit einer Art Blitzlicht. Manchmal in einer offenen Runde (auf freiwilliger Basis), manchmal nur zu sich selbst, aber meistens persönlich zu anderen Kindern der Klasse. Das was gesagt wird, sind die Antworten auf drei kleine Fragen: Was habe ich heute gut gemacht? Was war das schönste heute? Wofür bin ich heute dankbar?

 

Drei Fragen, die den Fokus in einer wertschätzenden Art und Weise nochmal auf den Unterrichtstag, sich selbst und die Mitschüler legen.

Klar ist es für uns Lehrer immer ein bisschen schwierig, rechtzeitig mit anderen Dingen aufzuhören, damit am Ende des Tages noch Zeit für die drei Minuten Achtsamkeitsübung bleibt. Oder zum Start des Tages sind wieder zwölf unvorhergesehene Dinge gleichzeitig passiert. Aber so wie wir achtsamer werden, so werden es auch unsere Schüler: Ähnlich wie beim Klassenrat lassen mich meine Schüler gar nicht mehr “entkommen”. Ihnen sind diese Phasen des Unterrichts so wichtig geworden, dass sie mich ganz automatisch daran erinnern und dazu “zwingen” (im positiven Sinne gemeint, als moralischer Indikator), die drei Minuten am Anfang und am Ende des Unterrichtstages für unser Ritual einzuräumen.

 

Für mich ist es also am Ende nur ein kleiner Schritt für mehr Achtsamkeit im Unterricht, aber der Sinn dahinter ist für alle spürbar.

 

Einen viel größeren Schritt geht meine Kollegin Carina Mathes. Sie hat nämlich die Lehrplaninhalte in Deutsch so individualisiert und mit Achtsamkeitsinhalten gefüllt, dass sich Deutsch dann eher wie das Fach “Glück” anfühlt!

 

Eine grandiose Idee, wie ich finde, weil ich solche Synergien liebe. Es wird an so vielen Texten und an so viel Gedankengut in Deutsch mit den Schülern gearbeitet – warum also nicht mit Inhalten füllen, die in den Kindern Dankbarkeit, Wertschätzung und Achtsamkeit fördern? Ich verweise dich an dieser Stelle direkt auf Carinas Homepage, schließlich kann sie dir viel besser als ich davon berichten. Zwei Bücher mit Materialien und Ideen gibt es dort auch:

 

Ich bin sehr gespannt und neugierig, ob Du vielleicht auch schon Ideen für Achtsamkeit im Unterricht hast oder hattest und wie Du mit diesem Thema im Schulalltag umgehst. Gerne kannst du mir deine Tipps oder Umsetzungsideen schreiben, denn ich freue mich über jeden Austausch mit Gleichgesinnten,

 

Und wie schön wäre es, wenn auch deine Schüler Teil einer Generation werden, die uns an Achtsamkeit noch viel mehr inspirieren können werden als wir umgekehrt dazu im Augenblick in der Lage sind.

 

 

 

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